Es kommt Bewegung in die Sache mit den digitalen Ausfuhrzetteln. Bisher müssen Einkaufende aus der Schweiz nämlich einen Schein beim deutschen Zoll stempeln lassen. Mit diesem abgestempeltem Schein können sie sich die deutsche Mehrwertsteuer zurückholen. Dieses antiquierte Verfahren sorgt für Staus am Zoll und Warteschlangen in unseren Geschäften. Es muss sich dringend etwas ändern. Wie es scheint, passiert jetzt etwas.
Als Betreiber von MyPaketshop kenne ich das Problem
In meinem Unternehmen stelle ich Firmen und Privatpersonen eine deutsche Lieferadresse zur Verfügung. Die wird gerade von Schweizerinnen und Schweizern gern genutzt, um Waren in der EU zu kaufen, die es so bzw. zu dem Preis in der Schweiz nicht gibt. Dieses Business betreibe ich jetzt seit 10 Jahren. Ich feiere das Ganze auch im Sommer, doch das nur am Rande.
Jedenfalls war es mir schon 2012 ein Rätsel, wie es sein kann, dass in einer Welt, in der es Smartphones sogar beim Discounter gibt, es ein Staat nicht schafft, das Abstempeln von grünen Zetteln (die Schweizer nennen die Ausfuhrscheine meist so) zu digitalisieren. Überall in den Geschäften müssen Verkäufer*innen Ausfuhrzettel ausfüllen. Die Leute müssen warten. Und meine Kund*innen stellen sich dann beim Zoll an und deutsche Zöllner stempeln von Hand die Ausfuhrzettel ab – irgendwie erinnert das an 1950 und nicht 2022.
Ökonomisch und Ökologischer Unsinn
Wie oft standen wir Einheimischen schon an der Kasse in einem Laden, weil vor uns die Händler*innen mit dem Ausfüllen von Ausfuhrscheinen beschäftigt waren? Dann das Warten am Zoll – welcher Mensch wartet schon gern wegen eines Stempels?
Die Autos der Wartenden bilden Staus, was immer schlecht für die Umwelt ist. Und die Mitarbeiter des Zolls machen eine stupide Arbeit, während die wirklich wichtigen Aufgaben des Zolls liegen bleiben. In einer Zeit, in der alle Bereiche der Wirtschaft und auch des Staats nach Arbeitskräften suchen, eine nicht vertretbare Situation.
2019 kam Bewegung in die Sache
Im April 2019 berichtete ich in unserem MyPaketshop-Blog, dass eine Bagatellgrenze für Schweizer*innen eingeführt werden soll. Das bedeutet, Einkaufende aus der Schweiz können sich die Mehrwertsteuer erst ab einem bestimmten Einkaufswert zurückerstatten lassen. Vorher ging es ab dem ersten Euro. Das sollte die Situation am Zoll entlasten. Die Politik dachte, dass die Schweizer*innen mit ihren Einkäufen nicht über den Wert der Bagatellgrenze kommen und es sich dann für Shopper nicht lohnt, den Ausfuhrschein abstempeln zu lassen.
Wie die Situation an der Grenze zeigt, änderte sich nichts. Die Bagatellgrenze gilt übrigens seit Januar 2020 und ist 50 Euro hoch.
Immerhin wurde die Einführung der Bagatellgrenze an eine Bedingung gekoppelt
Wie der Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner schreibt:
Die Umsetzung der Digitalisierung wurde vom Deutschen Bundestag im Beschluss zur Einführung der sogenannten “Bagatellgrenze” von 50 Euro zum Jahresbeginn 2020 vorausgesetzt. Ausdrücklich wurde in der Gesetzesbegründung auf das “bereits in Vorbereitung befindliche IT-Verfahren zur automatisierten Erteilung der Ausfuhrkassenzettel in Deutschland” verwiesen.[1]
Einfach ausgedrückt, die Einführung Bagatellgrenze wurde an die Bedingung geknüpft, das Abstempeln baldigst zu digitalisieren. Es hat dann aber fast zwei Jahre gedauert, ehe sich Bundesrechnungshof und Bundesfinanzministerium einigen konnten. Das geschah am 10. November 2021 und am 23. Dezember 2021 wurde die Sache schriftlich erklärt.[2]
Digitalisierung soll bei uns erprobt werden
Am 8. Februar dieses Jahres konnte ich dann im Blog von MyPaketshop eine weitere positive Entwicklung verkünden. In der Grenzregion Südbaden, also bei uns, wollen nämlich die Industrie- und Handelskammern, der Handelsverband Südbaden und Vertreter aus dem Handel den digitalen Ausfuhrschein erproben. Das boten die genannten Akteure dem Bundesfinanzministerium an.
Und so soll der digitale Ausfuhrschein funktionieren
Im Südkurier beschreibt der IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx das mögliche Verfahren wie folgt:[3]
- Identität und Wohnsitz des Schweizer Kunden/in ist geprüft und wird in einem System hinterlegt.
- Ein System erfasst alle relevanten Daten des Einkaufs im Geschäft.
- Diese Daten werden direkt auf das Smartphone übertragen.
- Übertritt der Kunde / die Kundin die Grenze wird das vom Handy registriert und an den Zoll übermittelt.
- Damit ist die Ware ausgeführt.
- Händler*innen, die den digitalen Service anbieten wollen, brauchen dafür eine Schnittstelle in ihrem Kassensystem.
Das Wichtigste ist natürlich, dass die Kundinnen und Kunden das System annehmen. Aber dazu braucht es eben schnell ein Modellprojekt. Hierbei müssen Einzelhandel, Zoll und Finanzverwaltung klug miteinander kooperieren.
Wir müssen den digitalen Ausfuhrzettel schnell realisieren
Ich weiß, dass das Thema „Einkaufstourismus“ die Gemüter bewegt und einige Mitbürger*innen in ihm das Übel der Welt sehen. Es ist aber sicher, dass für unsere Grenzregion der Einkaufstourismus extrem wichtig ist. Er sorgt für sehr viele Arbeitsplätze, lebendige Städte und viele kulturelle Veranstaltungen, die es ohne unsere Nachbarn aus der Schweiz nicht geben würde. Es ist also in unser aller Interesse die ärgerlichen Schlangen an Kassen und beim Zoll bald als eine Episode der Vergangenheit betrachten zu können.
Quellen
[1] Felix Schreiner: „Das Verfahren zur Mehrwertsteuerrückerstattung muss endlich im digitalen Zeitalter ankommen.“, 4.2.2022, https://www.felix-schreiner.de/artikel/das-verfahren-zur-mehrwertsteuerrueckerstattung-muss-endlich-im-digitalen-zeitalter-ankommen, Abruf am 5.2.2022
[2] Vgl. ebd.
[3] Sükdurier: „Kein Papier und kein Stempeln mehr: Aber wie soll der digitale Ausfuhrschein eigentlich funktionieren?“ von Michael Neubert, 11.2.2022, https://www.suedkurier.de/region/hochrhein/kreis-waldshut/kein-papier-und-kein-stempeln-mehr-aber-wie-soll-der-digitale-ausfuhrschein-eigentlich-funktionieren;art372586,11041252, Abruf am 5.2.2022